FC Barnetta schlägt Österreich

Für einmal musste rinarsson.ch das Spiel via TV verfolgen und nicht wie gewohnt im Stadion, deshalb gibt es an dieser Stelle eine Ferndiagnose. Und man kann sich dabei nur den Worten von SF-TV-Experte Alain Sutter anschliessen: „Barnetta hat die Schweizer wachgeküsst.“ Das Schneewittchen war in erster Linie Marco Streller, der seine Tore 10 und 11 im Nationalteam erzielte. Das ergibt bei 25 Länderspielen eine Quote von 0,44 Tore/Partie. Zum Vergleich: Alex Frei hat eine Quote von 0,57 Tore/Spiel. Nur dass auch diese Relationen gewahrt bleiben. Aber wir anerkennen an dieser Stelle die Leistung des langen Baslers und freuen uns, dass der Stürchli auf Touren kommt. Offenbar vermag in der gegnerischen Abwehr wieder für mehr rauchende Köpfe zu sorgen, seit er sein temporäres Abkehren vom Genuss des blauen Dunsts wieder aufgegeben hat. Und es war sicher nicht nur die dem Tabak zugeneigte Klientel im Letzigrund, die ihm den verdienten Applaus bei seiner Auswechslung spendierte.

Aber zurück zur Märchenwelt: Der unerschrockene Ritter Barnetta schoss auch noch den rechten Fuss von Hakan Yakin an, der damit zu seinem ersten Länderspieltor seit den Zeiten der Gebrüder Grimm (gefühlt) kam. Aber wir wollen ja auch nicht unfair sein. Yakin fiel diesmal sicher nicht wegen seiner Frisur auf, wie ja Weltwoche-Blogger Walter De Gregorio schon nicht ganz unkorrekt bemerkt hatte. Entsprechend sauer schien er (wie gesagt, wir waren diesmal nicht direkt auf Tuchfühlung mit den Spielern) über seine Auswechslung zur Pause zu sein. Im Gegensatz zu den anderen ausgewechselten Teamkollegen wie Philippe Senderos (was bitte sehr war mit ihm los???), setzte er sich nicht dick eingehüllt in die schwarze Winterjacke auf die Spielerbank, sondern stand im leichten roten Trainer im Spielereingang, die grossen Kopfhörer bereits um den Hals.

Wir sagen auch, in der ersten Halbzeit war in der Abwehr nicht nur Senderos ungenügend. Stephan Lichtsteiner und Johan Djourou genügten noch knapp, aber auch Ludovic Magnins Fehlerquote war wieder einmal höher als sein Reklamier-Intervall. Und dieses ist ohnehin in jedem Spiel hoch. Nach dem Seitenwechsel geriet die Abwehr weniger unter Druck, was aber auch mit einer gewissen Beschäftigungslosigkeit im Zusammenhang zu sehen ist. Immerhin fügte sich Stéphane Grichting als unerschrockener Grätscher ins Team. Von unserer Kritik explizit ausgenommen ist Fabio Coltorti. Der Goalie vermochte seine mangelnde Spielpraxis sehr gut zu kaschieren, wirkte bei allen Flanken sehr sicher und kam eigentlich nur einmal in Bedrängnis. Nach 15 Sekunden spielte ihm Djourou einen ziemlichen fiesen Rückpass zu. Ansonsten leitete er das 1:0 mit einem weiten Auswurf auf Barnetta ein, und hatte noch zwei weitere gute Aktionen bei der schnellen Angriffsauslösung.

Also loben wir noch einmal die Lichtblicke im Schweizer Team: Barnettas Pass in die Tiefe zum 1:0 war von der feinsten Art, wie es selbst geübten Gamern auf der Playstation mit der Dreiecks-Taste nur selten gelingt. Der Ostschweizer ziert deshalb zu Recht bereits zum zweiten Mal in Folge das Cover des beliebten FIFA-Fussballgames. Beim 2:1 schüttelte Barnetta die Gegenspieler wie lästige Fliegen ab und bediente in der Mitte ideal Yakin, der mit seinem schwächeren rechten Fuss traf. Und auch das 3:1 bereitete Barnetta vor, als er einen Corner auf den Kopf von Streller zirkelte. Dem Basler ist höchstens vorzuwerfen, dass vier Minuten nach dem 3:1 nicht auch noch das vierte Tor schoss.

Im defensiven Mittelfeld war Gökhan Inler der gewohnt sichere Wert, neben ihm war Gelson Fernandes zwar nicht stark, aber immerhin stärker als zuletzt Fabio Celestini oder Benjamin Huggel auf der gleichen Position. Und sonst? Xavier Margairaz hatte zwei, drei nette Aktionen und fällt nun wenigstens nicht mehr mit den wenig meisterlich gefärbten Haaren auf. Johan Vonlanthen verletzte sich schon früh; sein Ersatz David Degen war wie ein Degen halt ist: unbekümmert und ungestüm. Und auch häufig im Offside. Sein Bruder wurde als rechter Aussenverteidiger nicht vermisst, weil Lichtsteiner nicht schwächer ist als Philipp.

Und zum Schluss noch einige Randbemerkungen: Die Schweizer traten in den neuen Shirts (erst in weiss produziert) kämpferisch kurzärmlig auf, die Österreicher trugen die Trauerfarbe schwarz (war das der pure Zynismus von Puma???) und auch lange Ärmel. Es passte zum Weicheier-Auftritt der „Knödelhubers“. Und es stellt sich auch immer die Frage bei den Wechsel-Orgien, was man von einem Celestini oder Spycher erwartet, die in der 82. resp. 86. Minute eingewechselt werden. Viele Erkenntnisse werden Kuhn & Co. Aus diesen wenigen Minuten nicht erhalten. Aber vielleicht ist das ja auch nur Macht der Gewohnheit. Wenigstens durfte nach dem Austritt von Magnin noch Barnetta die Captainbinde übernehmen. Der hat das verdient.

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